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11 Dinge, die an unserer Freien Schule anders sind als an der Regelschule

Alltag an der Freien Schule

Ich gehe gerade zur Schule!

Eine Zeitlang lang habe ich wieder die Gelegenheit, in den Alltag an der Freien Schule einzutauchen. Denn meine jüngste Tochter hat ihre erste Schulwoche und  Eltern begleiten ihre Kinder. Ihr  Bruder ist jetzt seit 2 Jahren an der Schule und es wird Zeit für ein Resümee. Der Alltag an der Freien Schule unterscheidet sich so stark vom Regelschulalltag, dass ich die Bezeichnung Schule mittlerweile unpassend finde. Unter dem Begriff Schule entstehen in den Köpfen der meisten Menschen Bilder, die so wenig mit dem Leben an unserer Schule zu tun haben wie ein Stein mit einem Känguruh.

Meine zwei älteren Kinder haben das Regelschulsystem durchlaufen, meine jüngeren Kinder sind nun auf einer Freien Schule. Die Unterschiede zwischen Regelschule und Freier Schule kenne ich also aus erster Hand. Hier sind einige – aber längst nicht alle – Unterschiede zu den Regelschulen. Da jede Freie Schule anders ist, betrifft das vor allem unsere Schule. Manche der Punkte sind allerdings an vielen der anderen Freien Alternativschulen ähnlich.

Es gibt eine Probewoche

Es gibt an vielen Freien Schulen eine Probewoche. An unserer Schule ist es so, dass seitens der Schule bereits die Entscheidung für das Kind getroffen wurde. Nicht die Schule probt also das Kind, sondern das Kind und ein Stück weit auch die Eltern können so spüren, ob die Schule das ist, was sie suchen. Mein mittlerer Sohn wollte nach der Probewoche gleich ganz da bleiben, so sehr mochte er den lebendigen Schulalltag. Bei der Probewoche läuft kein extra Programm für die Neuankömmlinge, sondern sie sind einfach dabei. Manche Kinder sind zurückhaltender und schauen vor allem ganz viel zu, andere mischen gleich richtig mit. Beides ist völlig okay.

Wir haben Zeit für die Eingewöhnung 

An unserer Schule gibt es eine elternbegleitete Eingewöhnung. Wir Eltern können solange in der Freien Schule dabei sein, wie das Kind es braucht. Das kann bei dem einen Kind mehrere Wochen oder gar Monate sein, während ein anderes Kind schon nach 2 Tagen seine Eltern verabschiedet.

Das ist etwas, was ich sehr mag. Denn dadurch lerne ich zum einen die anderen Eltern gut kennen und bekomme einfach außerdem viel von meinem Kind mit. Der Schuleintritt ist so auch kein Bruch in der Biografie, sondern es ist ein allmähliches Hinübergleiten. Für mich gibt es dort auch nicht die scharfe Trennung wie an Regelschulen: Hier die Eltern – da die Schule. In dem Artikel Die ersten Wochen an der Freien Schule kannst du mehr dazu lesen.

 In Ruhe ankommen

An unserer Freien Schule gibt es keine Schulglocke.

Es klingelt weder am Morgen noch mittags oder zum Schulschluss. Die Kinder trudeln morgens nach und nach ein, bis um 10 Uhr zum Frühstück die meisten Kinder da sind. Wir kennen dadurch am Morgen zu Hause keinen Zeitstress. Auch am Tag vorher sind wir entspannt, weil unsere Bettgehzeit nicht vom Schulbeginn dirigiert wird. Unser Kind ist morgens manchmal eins der ersten Kinder in der Schule, weil er unbedingt hin will. Manchmal will er aber noch Zuhause etwas machen und wir haben dafür die Ruhe.

Essen ohne Zeitdruck und Zwang

Ist ja oft ein stressiges Thema in Familien. Zuwenig Zeit zum Essen in der Schulkantine, wenn sie überhaupt vorhanden ist. Die Schulbrote werden nicht gegessen oder es sind zuwenige gewesen. Ich kenne das Thema von meinen älteren Kindern. Umso angenehmer empfinde ich es, dass das Thema Essen hier so entspannt ist. Es geht los mit dem gemeinsamen Frühstück um 10 Uhr, dass aber auch kein Muss ist. Um 13 Uhr ist das frisch gekochte Mittagessen fertig. Keine Glocke kündigt das an und keiner geht laut “Mittagessen” rufen umher. Und trotzdem stehen nur wenige Minuten später die Kinder mit einem Teller und einem Löffel in der Hand vor dem Koch und lassen sich das leckere Essen auf ihren Teller füllen. Es kann auch mal sein, dass ein Kind nicht kommmt, weil es entweder gerade keinen Hunger hat oder mit etwas anderem beschäftigt ist. Das Essen bleibt noch stehen und es kann auch später noch sich etwas holen. Kann aber sein, dass es von besonders begehrten Leckereien nichts mehr gibt. Ist alles aufgegessen, machen die Erwachsenen auch noch Marmeladenbrote für die hungrigen Kinder. Keiner muss hungrig bleiben oder hört: “Wärst d mal rechtzeitig gekommen.” Gleicheitig trauen die Erwachsenen den Kindern zu, selbst die Verantwortung  für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse zu übernehmen.

Spielen ist wichtig

“Willst du mit uns Schule spielen?”, fragte ein Mädchen meine Tochter. In einer Schule Schule spielen, das ist echt abgefahren – und ist gleichzeitig ein Zeugnis dafür, dass der wichtigste Antrieb von Kindern das Spielen ist. Ein elfjähriges Mädchen, welches erst im Laufe der ersten Klasse auf die Schule gewechselt ist, erzählte mir, dass sie in den ersten drei Jahren ihre Zeit dort nur mit spielen verbracht hat. “Da sind wir doch noch Kinder”, sagte sie weise zu mir. “Das Spiel ist die Arbeit des Kindes”, meinte auch der Pädagoge Fröbel und zeigt damit Wertschätzung gegenüber dieser Tätigkeit.

Kinder, wenn sie die Möglichkeit haben, wählen zu können, spielen. Das ist ihr Weg. (mehr dazu) Es gibt für sie keinen Unterschied zwischen lernen und spielen. Und ich staune immer wieder über all das, was mein Sohn durch das Spielen begreift und erfährt.

Gruppenbildung ist ein Prozess, der Zeit braucht

Einige der liebsten Spiele der Kinder sind Fangespiele. Die Kinder der Freien Schule kennen unzählige Fangespiele. Nun machen Fangespiele am meisten Spaß, wenn viele Kinder mitmachen. Es gibt keinen Erwachsen, der bestimmt, welches Spiel gespielt wird und wer mitmacht. Jedem Fangespiel geht ein äußerst spannender Gruppenbildungsprozeß voran:

  • Ein Kind hat die Idee zu einem Spiel.
  • Es teilt diese Idee mit seinen Freunden.
  • Wenn die Freunde auch Lust haben, suchen sie zusammen andere Kinder, die mitspielen wollen. Das kann eine Weile dauern und so ziemlich alle Kinder der Schule werden gefragt.
  • Die Kinder, die Lust haben, treffen sich auf dem Außengelände. Jetzt wird nch mal genau besprochen, welches Spiel gespielt wird. Der Vorschlag vom Anfang kann noch infrage gestellt werden.
  • Fall die Regeln noch nicht allen bekannt sind, werden sie noch mal erklärt.
  • Gibt es Mannschaften. Wer spielt mit wem? Wer fängt als erstes? Diese Fragen werden geklärt.
  • Und jetzt geht es los. Die Kinder laufen lachend und jauchzend durch das Gelände, bis sie wirklich erschöpft sind.

Fazit: Kinder, die spielen können, wann sie wollen, brauchen keine Sportstunde. Die holen sich ihre Bewegung und Herausforderung selbst.

Freundschaften sind das Wichtigste für die Kinder

Irgendwann zwischen 11 und 13 Uhr klingelt bei uns das Telefon. Mein Sohn ist dran. Er will wissen, ob entweder Max, Mio oder Mervin zu ihm kann oder er zu ihnen. Geht auch Übernachtung? In der Schule gibt es ein Telefon für die Kinder, dass sie nutzen können, um ihre Eltern oder Freunde anzurufen. Mein Sohn nutzt es ausgiebig. Freundschaften sind ihm sehr wichtig und er hat viel Zeit für seine Freundschaften, denn sein Tag is nicht von Hausaufgaben zerrissen. Er fühlt sich wohl in seiner Freundesgruppe, die soviel miteinander teilen. Schule ist nicht nur ein Ort, die Freunde zu treffen, sondern auch ein Ort, Interessen mit den Freunden zu teilen. Mal sind Sammelkarten sehr wichtig, oder Fußball, aber auch Malen, womit auch die Jungs an manchen Tagen viele Stunden verbringen können.

Lernen an der Freien Schule

Keine Hausaufgaben, keine Noten, keine festen Schulstunden. Erzähle ich einem Kind, was auf die Regelschule geht, dass es auf der Schule meines Sohnes weder Hausaufgaben noch Noten gibt und die Kinder selbst entscheiden, was, wann, wo, mit wem und wie sie lernen, seufzen sie laut und sagen dann: “Auf so eine Schule will ich auch!” Ich weiß noch zu gut, wie sehr all diese Zwänge den Alltag von Familien bestimmen können. Vor der Einschulung, nach der Einschulung. So teilt sich das Leben von Kindern auf. Dagegen ist für mich unser Leben mit einem Kind an einer Freien Schule kein Bruch, wie ich ihn bei meinen Großen erlebt habe. Unser familienleben geht ohne Belastungen weiter.

Das Schulklo…

… ist eine der wichtigsten Nebensächlichkeiten im Leben von einem Regelschulschüler.

Warum? Weil die meisten Schultoiletten in einem erbarmungswürdigen Zustand sind. Viele Regelschulschüler verkneifen es sich, auf Toilette zu gehen, weil sie sich ekeln. Die Schuld dafür wird meist den Kindern angelastet. Die Toiletten an der Freien Schule dagegen habe ich bisher immer recht sauber erlebt. Klar, es gibt Klosprüche an den Wänden, aber weder kaputte Klobrillen noch verdreckte Toilettenbecken. Unsere Theorien dazu sind:

  • Die Kinder brauchen nicht die Toiletten, um an einem unbeobachteten Ort Frust abzulassen.
  • Sie brauchen die Toiletten auch nicht als Rückzugsort, da sie sich jederzeit zurückziehen können. Sie gehen aufs Klo und fertig!
  • Es gibt keine getrennten Toiletten für Kinder und Erwachsene. Fall also mal ein Klo verstopft ist, das Klopapier fehlt oder ein Deckel lose ist, sorgt der Erwachsene für Abhilfe. Ein Schaden wird rechtzeitig abgewendet.

Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeit

An der Freien Schule gibt es niemanden, der über den Tagesablauf der Kinder entscheidet. Ob sie zum Schwimmen mitgehen wollen oder nicht, ob sie essen wollen oder nicht, ob sie sich ausruhen oder zum Süssi gehen wollen, das entscheiden sie alleine. Auch, ob sie sich einen Lernbegleiter suchen und mit ihm Mathe machen wollen, ist ihre Entscheidung. Und da sie die Fähigkeiten, die in unserer Gesellschaft wichtig sind, auch erlangen wollen, suchen sie sich ihren Weg dahin, das eine Kind früher, das andere Kind später. Doch auf dem Weg zu den klassischen Kulturtätigkeiten sind alle Interessen des Kindes gleichwertig. Malen, Fussball spielen oder träumen ist genauso wichtig wie schreiben und rechnen. Ich bin immer wieder erstaunt über das hohe Maß an Selbstständigkeit, was die Kinder dort entwickeln. So haben so viel Zeit sich ihre selbst gestellten Aufgaben zu erledigen, dass sie dadurch auch eine große Selbstständigkeit entwickeln. Und zugleich erfahren sie sich als selbstwirksam.

Vertrauen

Das ist für mich mit der prägendste Wert der Schule. Wir kennen alle den Spruch “Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser”. Unser Schulsystem mit Noten, Klassenarbeiten und Klassenbüchern beruht auf dieser Annahme. Es ist so wohltuend, es anders zu erleben. Vertrauen in die Kinder, dass sie wissen, was sie brauchen. Aber auch Vertrauen in die Eltern, dass sie zusammen mit den Lernbegleitern den Kindern einen Raum für ihre Erfahrungen geben wollen. Konflikte werden im Miteinander geklärt und nicht durch das Beharren auf Regeln. Denn Konflikte gibt es natürlich, wie überall, wo Menschen länger zusammen sind. Doch gerade das Vertrauen, dass es auch im Konflikt einen Weg heraus gibt, ohne dass wir Macht einsetzen müssen, mag ich sehr.

Das sind einige der Punkte, in der sich unsere Freie Schule von Regelschulen unterscheidet. Andere Freie Schulen haben wahrscheinlich andere Schwerpunkte. Und das ist auch gut so. Es gibt nicht den einen, für alle richtigen Weg. Aber einige der Punkte werden an vielen Alternativschulen ähnlich sein. Warum ich hier auf dem Blog immer wieder über Freie Schule schreibe, liegt daran, weil ich zeigen will, dass es einen anderen Weg zur Bildung gibt, als an Regelschulen üblich. Und das der, wie z.B. an unserer Schule bereits schon seit mehreren Jahrzehnten gegangen wird. Mittlerweile gibt es Lernbegleiter, die selbst dort als Kind zur Schule gegangen sind.

Wir brauchen dringend eine komplett neue Lernkultur.

Die Freien Schulen sind hierfür mutige Wegbereiter.

Je mehr Wegbereiter es gibt, desto breiter wird der Weg für uns alle und vor allem für unsere Kinder. Denn Kinder, die ihre Schulzeit nicht als Bruch zu Selbstbestimmung und Würde erleben, können unsere Gesellschaft ganz anders mitgestalten.

Wer jetzt Lust auf eine Freie Schule für sein Kind bekommen hat, und mehr wissen will, kann hier weiterlesen: Mein Kind kommt auf eine Freie Schule In diesem Artikel findest du eine Übersicht über die wichtigsten alternativen Schulmodelle.

Wie sind eure Erfahrungen mit der Schule? 

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Dagmar

Dagmar Gericke von der Feeling Family®: Ich bin Mutter von vier Kindern im Alter zwischen 9 und 30 Jahren. Außerdem bin ich Kommunikationstrainerin, Theaterpädagogin und Elternbloggerin. Ich bin davon überzeugt, dass wir, indem wir uns selbst und unsere Familien heilen, auch unsere tief zerstrittene Welt heilen. Der Wandel beginnt immer bei uns selbst. Willst du mehr über mich wissen? Dann schaue hier: https://feelingfamily.com/about/