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Bonding – der Beginn einer lebenslangen Liebe

Die ersten Stunden nach der Geburt sind Momente voller Magie.

In einem israelischen Krankenhaus passierte das bemerkenswerte Mißgeschick, daß die Babys zweier Mütter versehentlich vertauscht wurden. Der Irrtum wurde erst bemerkt, als die Frauen, nachdem sie die Kinder zwei Wochen lang zu Hause gehabt und gepflegt haben, mit ihnen zu einer Nachuntersuchung in die Klinik zurückkehrten. Man beeilte sich, die Babys wieder ihren richtigen Müttern zurückzugeben. Diese hatten jedoch eine so intensive Bindung an das Kind entwickelt, das sie in den ersten zwei Wochen betreut hatten, daß sie es nur widerwillig wieder hergaben (aus Mutter-Kind-Bindung von Klaus / Kennel) Diese Geschichte zeigt, wie einprägsam die erste Zeit mit einem Neugeborenen ist. Besonders die erste Begegnung nach der Geburt mit ihrem Neugeborenen ist ein Moment, den viele Eltern nie mehr vergessen. Damit beginnt eine lebenslange Bindung, die eine der intensivsten menschlichen Gefühle ist. Noch vor vierzig Jahren wurde den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt nur wenig Bedeutung geschenkt. Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts sind die Geburten vom häuslichen Bereich in die Kliniken verlegt worden. Dadurch änderten sich die Bedingungen rund um die Geburt.

Die Krankenhäuser vergangener Jahrhunderte waren Orte der Gefahr

Denn im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert waren Krankenhäuser eine hochgradige Quelle von Infektionen und die Patientensterblichkeit war erschreckend hoch. Am Kindbettfieber starben vor allem Frauen, die im Krankenhaus ihr Kind gebaren. Die Angst vor Ansteckung führte in den Geburtskliniken, nachdem man die Ursache erkannte, zu strengen Quarantänemaßnahmen von Mutter und Kind, die uns heute seltsam erscheinen. Anfang der vierziger Jahre wurden die neugeborenen Babys in großen, festungsartigen Säuglingsstationen zusammengelegt und sogar vor dem Kontakt mit der eigenen Mutter abgeschirmt. Väter konnten auf ihre neugeborenen Kinder nur durch eine Glasscheibe anschauen, hinter der ihr Baby in einem Bettchen in einer Reihe von anderen Babys lag. Viele Mütter sahen ihre Babys erst nach der Entlassung aus der Klinik nach ca. 10 Tagen zum ersten Mal nackt.

Klinikroutine statt Körperkontakt

Damit wurde die Klinikroutine entscheidend für die Vorgänge rund um die Geburt. Bis weit in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde die Trennung von Mutter und Kind in den allermeisten Kliniken praktiziert. Meine Mutter erkrankte nach der Geburt ihres ersten Kindes, meines Bruders, schwer und musste 6 Wochen im Krankenhaus bleiben. Mein neugeborener Bruder wurde ihr in der Zeit lediglich 5 Mal am Tag zum Stillen gebracht. Nachts blieb er auf der Säuglingsstation. Meine Mutter hatte zu dem Zeitpunkt weder die Kraft noch das Selbstbewusstsein, die Entscheidung des Krankenhauspersonals anzuzweifeln. So war das eben damals. Bei den Babys führte die immer wiederkehrende Trennung von der Mutter und das Fehlen an sozialen Kontakten in der ersten Zeit nach der Geburt, je nach Dauer der Trennung, zu einer mehr oder minder schweren Zurückgezogenheit und einer Reaktionsschwäche. Die Grundlage für Stillschwierigkeiten war bereits gelegt und es ist nicht verwunderlich, dass aus dieser Zeit es so viele Babys gibt, deren Mütter nicht oder kaum gestillt hatten. Lange Zeit war es sogar üblich, dass das Baby zum ersten Mal nach 24 Stunden angelegt wurde. So verstrich eine wertvolle Zeit ungenützt und hinterließ ihre Spuren in den Seelen. “Ich habe zuwenig Milch” Bei den Müttern führte die Trennung dazu, dass sie an den Fähigkeiten, ihr Kind zu versorgen, zweifelten und sich unsicher waren, ob ihr Kind wirklich ihr Kind war. Müttern aus der Generation glaubten oft, sie hätten nicht genug Milch. … In anderen Verwechslungsfällen, in denen einer Mutter für eine kurze Zeit das Kind einer anderen Frau zum Stillen gegeben wurde, haben wir mit großen Erstaunen beobachtet, wie lange sie diesem Säugling in Gedanken nachhing. Eine solche Mutter pflegte oft noch Monate später, auch wenn ihr eigenes Kind in jeder Beziehung Anlaß zu vollster Zufriedenheit gibt, auf jenes Baby zurückzukommen und etwa zu sagen: „Ach, das war so ein liebes Kindchen“ (aus Mutter-Kind-Bindung von Klaus / Kennel)

Vom dummen Vierteljahr zum kompetenten Säugling

Viele dieser Beobachtungen führten dazu, daß sich Psychologen und Kinderärzte näher mit dem Phänomen der Mutter-Kind-Bindung befaßten. Noch vor wenigen Jahrzehnten hielt man einen Säugling für ein ziemlich unempfindliches Wesen, das zu keinerlei Interaktion mit seiner Umwelt fähig sei. Das erste Vierteljahr wurde als das sogenannte dumme Vierteljahr bezeichnet. Durch verschiedene Forschungen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts hat sich das Bild vom dummen Säuglings zu dem eines kompetenten Säuglings gewandelten, der aktiv Kontakt zur Mutter aufnimmt. Auch die Fähigkeiten des Neugeborenen wurden lange unterschätzt.

Der Tanz des Neugeborenen

Es kann hören, bevorzugt höhere Stimmlagen, und kann ihm bekannte Stimmen von unbekannten unterscheiden und bewegt sich im Rhythmus der Stimme seiner Mutter. Es kann Gesichter erkennen und unterscheiden, und hat eine Vorliebe für das Gesicht und die Stimme seiner Mutter. Bereits nach kurzer Zeit kann es den Geruch seiner Mutter von dem anderer Mütter entscheiden. Wenn die Mutter ihren Säugling betrachtet, folgt der Säugling seiner Mutter mit seinen Blick.

Rooming-In statt Trennung

Aus Amerika kommend, begannen in den siebziger Jahren die ersten Geburtskliniken mit dem sogenannten Rooming-In, was bedeutete, dass Mutter und Neugeborenes nicht mehr getrennt, sondern im selben Zimmer untergebracht wurden. Doch bis heute ist es nicht in allen Geburtskliniken Standard. Dr. Michael Abou-Dakn, Chefarzt der Geburtshilfe im St. Joseph Krankenhaus und Vorstand der Initiative „Babyfreundliche Krankenhäuser“ sagt dazu: Für ein Neugeborenes ist es immer besser, bei der Mutter zu sein als irgendwo anders. Es gibt keine Alternative, erst recht kein überbelichtetes geschäftiges Kinderzimmer. Die ersten Lebenstage sind so wichtig für das Urvertrauen eines Kindes. In dieser Zeit sollte ein Baby erfahren, dass seine Eltern immer und sofort da sind, wenn es etwas braucht. Und das klappt am besten, wenn es ganz dicht bei Mama und idealerweise auch bei Papa ist.“

Was genau ist Bonding?

In den ersten Stunden nach der Geburt gibt es eine sensible Phase – das sogenannte Bonding- bei Mutter und Kind, die den Grundstein für die Entwicklung einer sicheren, gefühlsmäßigen Bindung legt. Mutter und Kind sind trotz der Strapazen der Geburt hellwach. In dieser sensiblen Phase ist ein enger, ungestörter, körperlicher Kontakt zwischen Mutter und Kind wichtig. Der erste Kontakt geschieht nach einem individuellen, aber anscheinend für alle Menschen typischen Schema. Die Mutter spricht mit hoher Stimmlage mit ihrem Baby und berührt es erst mit den Fingerspitzen und dann mit der ganzen Hand. Erfolgt kein Eingriff von außen, berühren Mütter ihre Babys erst am ganzen Körper, bevor sie es stillen. Sehr intensiv ist auch der Blickkontakt zwischen Mutter und Kind. Wie ein Magnet suchen die beiden immer wieder den Blickkontakt. Das Baby ist bei dem Prozeß nicht passiv, sondern reagiert auf die Aktionen der Mutter. Die Säuglingsforscher Klaus und Kennell beschrieben es als eine Art Tanz zwischen Mutter und Kind.
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Eine der intensivsten menschlichen Empfindungen

„ Die Nabelschnur wird abgetrennt, und nun der glücklichste Augenblick: ich bekomme mein Baby in den Arm gelegt. Zwei blinzelnde kleine Augen nehmen Kontakt auf. Es ist viel zu hell im Kreissaal! Kleinste Finger berühren mich; es sind, glaube ich, die kleinsten Finger der Welt. Verliebt betrachte ich dich, ich begrüße dich auf dieser Welt und werde alles für dich tun, damit du glücklich wirst.“ erzählt eine Mutter in dem Buch Frauen berichten vom Kinderkriegen. Viele Mütter berichten von intensiven Gefühlen. Gabriele erzählt von der Geburt ihres Sohnes Fabian: „Dieses Gefühl, deinen kleinen warmen Körper auf meinem Bauch. Du bewegst dich, möchtest saugen. Ich versuche dir meine Brustwarze in den Mund zu schieben. Es gelingt – ich empfinde ein nie gekanntes Glück. Die Schmerzen sind weg. Du bist da. Wie soll man dieses Glück beschreiben?“

Manchmal braucht die Liebe Zeit

Nicht immer stellen sich diese Gefühle von Glück und Liebe sofort ein. Nach einer sehr anstrengenden oder schwierigen Geburt braucht die Mutter erst einmal eine Erholungszeit und hat direkt nach der Geburt keine Kraft mehr fürs Glück-Empfinden. „Ich wartete auf das große Glücksgefühl. Aber nichts geschah. Ich war leer, ausgesaugt. Nur mein Wunsch, mein Baby in den Arm zu nehmen und mit ihm alleine zu sein, war wieder da“, beschreibt Angelika-Martina ihre Erfahrungen bei ihrer zweiten Geburt. Manchmal kann es mehrere Tage dauern, bis sich das Gefühl des Verliebtseins mit dem Baby einstellt.

Bonding und Routinemaßnahmen

Die erste Phase nach der Geburt ist sehr störungsanfällig, wie verschiedene Untersuchungen der modernen Säuglingsforschung zeigen. Grund genug also, der ersten Zeit nach der Geburt und der Krankenhausroutine Aufmerksamkeit zu schenken. Denn oft verhindert die Krankenhausroutinemaßnahmen wie wiegen, anziehen und die verschiedenen Untersuchungen eine störungsfrei verlaufene sensible Phase. Wenn es dem Kind gut geht, können die Routinemaßnahmen jedoch auch mit dem Baby auf dem Bauch der Mutter oder in ihrer unmittelbaren Nähe vorgenommen werden. „ Bei meinem ersten Kind bedauerte ich später, daß es so früh angezogen wurde. Mein zweites Kind kam zu Hause zur Welt. Diesmal bat ich die Hebamme, es nicht anzuziehen, sondern lediglich eine Decke um mich und mein Baby zu wickeln. Mein Baby lag immer noch nackt auf meinem Bauch, als die Hebamme ging. Es vergingen viele Stunden, bevor es das erste Mal von mir durch Kleidung getrennt wurde. Es war für uns beide ein sehr sanfter Einstieg in die neue Welt nach der Geburt.“ meint Irmgard, Mutter von zwei Kindern. Mütter, die die Möglichkeit zu einem ausführlichen, relativ störungsfreien Kontakt zu ihrem Neugeborenen in der sensiblen Phase nach der Geburt haben, fühlen sich kompetenter in der Pflege ihres Neugeborenen, stillen ihre Kinder häufiger, nehmen sie , wenn die Babys weinen, zum Trösten häufiger auf den Arm als Mütter mit einer längeren Trennung nach der Geburt.

Auch für Väter ist das Bonding wichtig

Doch nicht nur die Mutter, auch der Vater mit seinem Neugeborenen erfährt ähnliches, wenn er frühen Kontakt zu seinem Baby nach der Geburt hat. Dazu meint der Kinderarzt Terry Brazelton: „Keine Gesellschaft, die darauf angewiesen ist, daß die Männer Heim und Familie verlassen, um ‚ihre‘ Pflicht für die Gesellschaft zu tun, gestattet ihren jungen Männern, ihr neugeborenes Kind anzufassen und auf dem Arm zu nehmen. Dem steht immer ein Tabu entgegen. Denn irgendwo wissen sie, daß, wenn sie dies zuließen, die jungen Väter so auf ihr Kind ‚einsteigen‘ würden, daß sie nie mehr so verfügbar sein würden, um ihre Pflicht draußen zu erfüllen.“ Unter den Bedingungen der vereinsamten Kleinfamilie hält Brazelton es vielleicht das Beste, daß junge Väter sich stärker auf ihr neugeborenen Babys einlassen.   Auch im Falle eines Kaiserschnitts kann der Vater das Baby nach der Geburt zu sich nehmen. Manche Mütter, die einen Kaiserschnitt hatten, und bei denen der Vater in der ersten Zeit das Kind bei sich hatte, beschreiben ihre Kinder später als ausgesprochene Vater-Kinder.
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Die neugeborene Familie braucht Ruhe für sich

Die erste Zeit nach der Geburt sollte daher voll der neugeborenen Familie gehören. Doch die ersten Stunden nach der Geburt sind nicht die einzige Chance für eine positive Bindung. Die Eltern-Kind-Bindung ist ein Prozeß, der in der Schwangerschaft beginnt und sich das ganze Leben lang entwickelt und verändert. Falls es aufgrund einer schwierigen Geburt zu einer gestörten sensiblen Phase kommt, gibt es auch Möglichkeiten, durch Tragen, Stillen und Berührung bei der Babymassage die Bindung zu stärken und das Bonding ein Stück weit nachzuholen. Wie habt ihr die ersten Stunden nach der Geburt erlebt? Konntet ihr euch in Ruhe eurem Neugeborenen hingeben oder wurdet ihr dabei gestört? Wart ihr vielleicht körperlich gar nicht in der Lage, die Stunden nach der Geburt so füllen, wie ihr es euch vorher gewünscht hattet? Was habt ihr bei nachfolgenden Geburten anders geplant? Schreibt mir von euren Erfahrungen. Dagmar Gericke

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Dagmar

Dagmar Gericke von der Feeling Family®: Ich bin Mutter von vier Kindern im Alter zwischen 9 und 30 Jahren. Außerdem bin ich Kommunikationstrainerin, Theaterpädagogin und Elternbloggerin. Ich bin davon überzeugt, dass wir, indem wir uns selbst und unsere Familien heilen, auch unsere tief zerstrittene Welt heilen. Der Wandel beginnt immer bei uns selbst. Willst du mehr über mich wissen? Dann schaue hier: https://feelingfamily.com/about/