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„Mach das noch, bevor du Kinder hast. Später wird es schwer oder unmöglich.“ Über Aufbrüche und Neuanfänge.

Ein Gespräch mit Meike Hübel und Dagmar Gericke

Du kannst dir das Gespräch auch anhören:

„Mach das noch, bevor du Kinder hast. Später wird es schwer oder unmöglich.“

Kennst du solche Botschaften?

Ich zumindest habe solch einen Satz nicht nur einmal gehört.

Mit Kindern könnte man nicht einfach mehr machen, was man will.
Ab dann heißt es, Verantwortung übernehmen.
Das Einkommen sichern. Sicherheit bieten.

So haben das unsere Eltern vorgelebt. Mit Kindern sind keine großen Sprünge, keine Experimente mehr möglich.
Und ihre Absicht dahinter war ja durchaus richtig, denn sie wollten Struktur und Sicherheit bieten.

Etwas zu wagen dagegen ist immer ein Sprung in ein unbekanntes Gewässer.
Ein Risiko.
Und doch liegt in dem Risiko die Freude.

Ich bin es eingegangen, das Risiko.
Mit Kindern. Immer wieder.

Meike Hübel und ich, Dagmar Gericke, wir erzählen dir heute von unseren Aufbrüchen und warum es sich immer gelohnt hat.

Leben bedeutet Veränderung

Unsere Welt heute wandelt sich immer schneller, so wie auch unser eigenes Leben im Wandel ergriffen ist.

Wir wechseln den Wohnort, ja, sogar das Land, in dem wir leben. Der Beruf, den wir erlernt haben, ist selten der, mit dem wir alt werden.

Partnerschaften gehen auseinander, neue Partnerschaften entstehen.

Auch wenn wir Kinder haben, ist das Leben im stetigen Wandel.
Es gibt dabei ruhigere Phasen und es gibt Phasen, da werden wir vom Leben durchgerüttelt wie ein Ruderboot im Sturm auf hoher See.

Ein Aufbruch beginnt meistens mit einer Unruhe, die wir spüren.

Das Leben, was wir kennen, fühlt sich so nicht mehr richtig an. Noch wissen wir nicht, wo es hingeht.

Dann entwickeln wir langsam eine Vision.
Die Vorstellungen von unserem erträumten Leben werden immer konkreter.

Endlich starten wir in die nächste Phase unseres Lebens. Manchmal abrupt, wie bei einer Kündigung oder Trennung, manchmal in kleinen Schritten.
 Diese Zeit ist aufregend, aber auch von Ängsten und Unsicherheiten begleitet. Wir brauchen Mut für diese ersten Schritte.
Denn sie lohnen sich, weil wir unserem Traumleben so näher kommen. Eines der wichtigsten Dinge in dieser Phase ist es, Menschen zu haben, die dich bei deinem Aufbruch unterstützen.

Ich selbst habe mehrere Aufbruchphasen erlebt, ebenso wie meine Elterncoachkollegin Meike Hübel. Hier erzählen wir jede von einer entscheidenen Aufbruchphase in unserem Leben.

Meike Hübel erzählt:

Ich lebe in Berlin mit zwei Kindern im pubertären Alter.

Zur Zeit bin ich dabei, ein Elterncoaching für Paare aufzubauen, die in irgendeiner Weise in der Krise sind.

Es ist mir ein großes Anliegen, das solch eine konfliktbehaftete Situation so gestaltet werden kann, dass die Kinder darunter nicht leiden.

Also, die gravierendste Umbruchsituation, die mir sofort in den Sinn gekommen ist, als du mich gefragt hast, Dagmar, ob wir uns zu diesem Gespräch zusammenfinden wollen, ist die nach meinem Studium.

In meiner ersten Ausbildung nach dem Abitur habe ich Französisch und Biologie auf Lehramt studiert.

Ich hatte das so angelegt, dass ich nach dem ersten Staatsexamen noch ein Diplom in Biologie mache.

Aus verschiedenen Gründen habe ich mich dann doch entschieden, erstmal in die Lehrerausbildung zu gehen. Dafür bin ich nach Berlin gekommen. Vorher hatte ich woanders studiert.

Es fühlte sich ganz falsch an…

Das war insofern eine ganz einschneidende Situation, weil das gegen den Rat der Familie und des Umfeldes gewesen war. Und dann habe ich nach 8 Monaten Referendariat, also dem zweiten Teil der Lehrer-Ausbildung, gemerkt, dass das so sehr gegen meine inneren Überzeugungen ist, was an der Schule geschieht. Ich habe das körperlich gespürt, dass das nicht das Richtige für mich ist.
Wenn ich durch diese Schule gegangen bin habe ich gemerkt, es fühlt sich in mir ganz, ganz falsch an.
Ich habe dann tatsächlich den Schritt gewagt, das Referendariat abzubrechen.

Ich habe damals ans Schulamt einen Brief geschrieben, dass ich das Referendariat jetzt nicht mehr weiter machen möchte.

Wenn ich daran heute zurück denke, würde ich mir auch übrigens wünschen, damals ein Coaching gehabt zu haben oder so was.
Ich war Mitte Zwanzig. Ich habe das komplett alleine entschieden.
Wenn man sich gegen etwas entscheidet, dann ist das sozusagen auch für etwas anderes.

Das Leben hatte die Lösung.

Das war damals tatsächlich so, dass das Leben mir das gebracht hat, was ich damals gebraucht habe und was mich bis heute prägt und viel weiter gebracht hat.
Ich habe damals mein Freund kennengelernt, der Designer war und visuelle Kommunikation studiert hatte.

Und ich hatte meine Staatsexamensarbeit schon, ohne zu wissen, dass es so etwas wie visuelle Kommunikation gibt, in Biologie schon in diese Richtung geschrieben.

Ich habe untersucht, wie ein bestimmtes Schild im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer funktioniert. Ich wollte herausfinden, ob die Touristen sich daran halten und habe nachgewiesen, dass das eben nicht funktioniert.

Das Leben hatte mich schon vorher in diese Richtungen gebracht. Ich habe dann ganz lange mit meinem damaligen Freund zusammen eine Firma gehabt.

Das war eine meiner einschneidensten Erfahrungen. Also, das war die Entscheidung, bei der wirklich alle da gestanden haben und gesagt haben: „Um Gottes Willen, mach das nicht, bleib bei dem, was du tust.“

Und das war dabei so wertvoll für mich, es abzubrechen. Ich habe damals gesagt, ich möchte den Job nicht machen können.

Ja, ich finde das so derartig gegen die Würde des Menschen. Ich möchte gar nicht so arbeiten können.

Ich will schließlich auch keinen Job als Gefängniswärter haben.

Dagmar Gericke:

Ich finde es ganz spannend, was du da sagst. Dadurch, dass eine Tür erstmal zu geht und wir den Mut haben, etwas nicht zu tun, öffnet sich eine andere. Oft ist das, was dahinter liegt, dann viel schöner.

Ich mag da auch mal was von mir erzählen.

Vom Traumberuf zur Trageschule.

Ich bin relativ jung Mutter geworden. Mein erstes Kind ist zu Hause zur Welt gekommen.

Damals hat mich alles unglaublich fasziniert, was mit Schwangerschaft und Geburt zu tun hatte. Zu meiner Hebamme hatte ich eine freundschaftliche Beziehung und so entstand sich der Traum: Ich will Hebamme werden.

Okay, dann habe ich angefangen mich zu bewerben. Bei meiner Hebamme durfte ich ein Praktikum machen und habe dabei auch weitere Hausgeburten erlebt.

Auch bei Freundinnen war ich bei einigen Geburten dabei und bin auch total dankbar darüber. Ich habe mich dann bei verschiedenen Hebammenschulen beworben.

Mein ältester Sohn ist jetzt 26. Heute in Zeiten vom Hebammenmangel können wir uns kaum noch vorstellen, dass das damals ein unglaublich begehrter attraktiver Beruf für viele Frauen war. Es haben sich auf 10 Ausbildungsplätze bis zu 1000 Frauen beworben.

Das war wirklich ein Traumberuf für viele Frauen. Ich erinnere mich, wie wir Bewerberinnen damals im Krankenhaus Neukölln in einem riesigen bis auf den letzten Platz gefüllten Raum saßen und einen Test ausfüllen sollten. Die Auswahl war richtig hart. Das war so ähnlich wie wenn du dich bei der Schauspielschule beworben hast.

Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich schnell ein Platz bekomme. Manche haben sich bereits jahrelang beworben. Und dann bekam ich einen Brief mit einer Zusage.

Zwei Tage später stellte ich fest, dass ich mit meinem zweiten Kind schwanger bin.

Ich hätte jetzt die Ausbildung einfach anfangen können. Ich wusste aber, dass die Lage für schwangere Auszubildende übel war. Es gab noch keine Elternzeit für Auszubildende. Das haben sie inzwischen geändert, aber damals hätte ich nach dem Mutterschutz die Ausbildung fortsetzen müssen.

Dann habe ich in der Hebammenschule angerufen und gesagt: „Also, es ist so, ich bin schwanger. Ich würde die Ausbildung sehr gerne machen. Kann ich nach der Geburt eine Weile pausieren und dann wieder einsteigen?“
Meine Elternzeit zu nehmen, mit meinem Baby zusammen zu sein, war mir sehr wichtig.

Die Ausbildung mit Nachtdiensten und Schichten wäre bereits mit einem Dreijährigen eine Herausforderung gewesen. Mit einem Baby war es für mich unvorstellbar.
Doch leider sagten sie mir: „Nein, das geht nicht.“
Ich hätte die Ausbildung nach dem Mutterschutz, also 8 Wochen nach der Geburt, wieder aufnehmen müssen.

Da stand ich dann also und dachte: „Okay, das ist für mich keine Option. Ich will dieses Kind haben. Und ich will es erleben.“
Das wäre ja sonst auch total absurd gewesen.

Also habe ich entschieden: „Dann kann ich den Platz leider nicht wahrnehmen.“
Das war sehr, sehr schmerzhaft für mich.

Unglaublich schmerzhaft.

Mein Baby war wichtiger…

Die Ausbildung war mir wichtig, aber das Kind in mir war wichtiger. Wenn ich das später noch machen will, dann werde ich wieder einen Platz bekommen. Davon war ich überzeugt.

Ich bin erstmal wieder in Berlin geblieben und habe mich auf andere Weise weiter mit meinen Themen beschäftigt. So habe ich eine Fortbildung zur Geburtsvorbereiterin gemacht.

Ich habe dann noch etwas viel Entscheiderendes gemacht.

Neben dem Thema Geburten hatte mich das Thema Tragen auch sehr fasziniert.

Körperkontakt, Bindung, Tragen waren Themen, die mich tief berührt haben.

Damals gab es noch nicht so viele Tragehilfen; es gab den Snuggli und Baby Björn und sonst nicht viel.

Das Tragetuch war eine sehr wichtige Hilfe für Eltern, die tragen wollten. Ich habe begonnen, Tragetechniken zu sammeln, für den Bauch, die Hüfte, den Rücken.
Bald fragten mich andere Mütter: „Hey, wie machst du das? Wie trägst du dein Kind auf dem Rücken? Wie bindet man dieses, wie bindet man jenes?“

Auch theoretisch habe ich viele Informationen zum Thema Tragen gesammelt, habe Ashley Montague, Liedloff sowieso, aber auch Renggli, Bowlby und viele mehr gelesen.

Den Kindern der Zukunft.

Ich war in einem Unitutorium, das sich mit frühkindlicher Bindung und Körperkontakt beschäftigt hatte. Das Tutorium nannte sich „Kinder der Zukunft“.
Ich war die einzige in der Gruppe, die bereits ein Kind hatte.
Es war fantastisch, mit anderen Menschen über Themen zu sprechen, die mir am Herzen liegen.

Irgendwann habe ich gedacht: „Mensch, so viele fragen mich, wie bindet man das eigentlich? Ist das Tragen es schädlich für das Baby?“

Das war ja alles noch nicht so populär wie heute.

Es gab zwar bereits viele tragende Eltern, aber es war trotzdem noch nicht so bekannt. Tragen war noch nicht im Mainstream angekommen…

Meike Hübel: Ja, noch vor 15 Jahren bei meiner bei meiner Tochter nicht…

Dagmar Gericke: …ja, dann kam mir die Idee, ich muss da mal Kurse zum Tragen und Binden anbieten.

Ich hatte Flyer in den Bioläden und Nachbarschaftszentren ausgelegt und es meldeten sich auch gleich ein paar Frauen an.

Ich weiß noch, wie ich meinen ersten Kurs auf dem Dachboden unseres Hauses im Sommer 94 durchführte.

Und diese Idee hat sich dann weiterentwickelt.

Aus dem Uni-Tutorium bekam ich den Kontakt zu einer Frau, die Körpertherapeutin und Psychologin war und ihre Diplomarbeit zu dem Thema Tragen von Babys geschrieben hat.

Das war Karin Meyer-Harms, die Frau von Thomas Harm, der damals die Schreiambulanz und die emotionelle Erste Hilfe begründet hat.
Sie war ebenfalls schwanger und fragte mich, ob ich ihr und ihrem Partner eine Trageberatung geben kann. Über die Beratung hatten wir uns kennengelernt. Zusammen kam die Idee, das alles etwas größer zu entwickeln. Das war dann der Start von der ersten Trageschule. Wir waren damals die erste Trageschule Deutschlands, wahrscheinlich auch die erste weltweit.

Das war also ein ganz neues Konzept –die Trageschule.

Wir haben Wochenendkurse für Eltern angeboten, also nicht für Multiplikatorinnen wie Hebammen und Stillberaterinnen, sondern vor allem für Eltern. Das, was wir damals für Eltern geboten haben, das machen heute die Trageschulen für Multiplikatorinnen.
Unsere Eltern konnten nach dem Wochenende alle ihr Baby im Tuch tragen – auch auf dem Rücken. Wir sind in der Mittagspause am zweiten Tag zusammen rausgegangen und alle trugen ihre Babys auf dem Rücken. Das war ein fantastischer Anblick, wenn 8 oder 10 Mütter und Väter dort mit ihren Tragebabys auf dem Rücken entlang spazierten.

Das war also ein ganz neues Konzept –die Trageschule.

(Wenn du noch mehr über die Entstehung erfahren willst, dann lies hier weiter: Seit wann gibt es eigentlich Trageschulen?)

Gleichzeitig war es für mich auch eine Herausforderung, denn mich haben andere Menschen gefragt: “Hey, was ist das eigentlich, Trageschule? Wofür braucht man so was?“

Dafür gab es noch wenig Verständnis.

Für mich war die Gründung der Trageschule ein Symbol für Chancen:
Wenn eine Tür zugeht, dann öffnet sich eine andere.
Das alles hätte ich nie entwickelt, wenn ich die Hebammenausbildung gemacht hätte.

Heute gibt es viele Trageschulen, jede mit einem etwas anderen Schwerpunkt. Trageberaterin zu sein ist was ganz Normales, das machen viele Mütter und auch Väter.
Unsere Trageschule war der Startschuss. Das war die erste Trageschule, die es gab. Ich bin froh, das alles mit entwickelt zu haben, auch wenn mein Leben wieder einige Wendungen genommen hat und ich jetzt etwas anderes mache.

Und du, liebe Leserin, wo stehst du gerade in deinem Leben?

Vielleicht stehst du gerade an einem Wendepunkt und siehst noch nicht, wohin es geht.

Das, was wir dir heute mit unseren Geschichten mitgeben wollen, ist unsere Erfahrung:

Scheitern gehört dazu, Abbrechen gehört dazu, und der Neuanfang gehört auch dazu.
Es geht immer weiter, auch wenn wir manchmal die Richtung noch nicht sehen.

Meike Hübel:

Es setzt auch Energie frei, eine Entscheidung gegen etwas zu treffen, was sich zu einem früheren Zeitpunkt als gut und richtig angefühlt hat und dann nicht mehr funktioniert.

Das ist ein wichtiger Punkt, dass sich sowohl bei dir als auch bei mir etwas Schönes und Neues daraus entwickelt hat, was man vorher noch gar nicht gesehen hat.

Dagmar Gericke:

Durch den Abschied entstand überhaupt erst der Freiraum für etwas Neues. Ohne das Abbrechen des einen wäre der Freiraum für das andere gar nicht da gewesen. So können wir eine Entscheidung nicht als Ende anzusehen, sondern auch als Neuanfang.

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Dagmar

Dagmar Gericke von der Feeling Family®: Eltern-Coach, Theaterpädagogin, Kommunikationstrainerin und Mama von 4 Kindern. "Kinder zu bekommen ist nur der Anfang des Elternseins. Die wirkliche Aufgabe liegt daran, uns unser Leben mit unseren Kindern so zu gestalten, dass sich alle in der Familie angenommen und geliebt fühlen. Und das schließt uns selbst mit ein." Willst du mehr über mich wissen? Dann schaue hier: https://feelingfamily.com/about/