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“Iiich!!!! Warum kleine Kinder das Zentrum der Welt sind und warum das gut so ist!

Lauter kleine Egomanen?

Über die ganz normale Egozentrik des Kleinkindes

„Sie muss lernen, dass sie nicht das Zentrum der Welt ist“, sagte eine Kinderladen-Mutter zu mir, als sie über ihre Entscheidung sprach, ihre vierjährige Tochter auf eine Regelschule einzuschulen. „Noch denkt sie, es dreht sich alles nur um sie.“

Also sollte ihr Kind auf eine Schule, um zu lernen, sich einzufügen, anzupassen und zurückzuhalten. Um Schreiben und Rechnen lernen ging es ihr also gar nicht vorrangig. In der Schule, so argumentieren auch die Schulbehörden, lerne man ja schließlich auch soziale Fertigkeiten – das gehe nun mal zu Hause nicht.

Bücher wie „Lob der Disziplin“ und „Jedes Kind kann Regeln lernen“ stehen in den Bücherregalen vieler Eltern. Die Angst, das eigene Kind könnte ein Egomane werden, ist groß.


Sprüche aus der Mottenkiste der Geschichte

Aber was ist eigentlich schlimm daran, wenn ein Kind sich als Zentrum seiner Welt fühlt? Warum sind Eltern besorgt, es könnte sich immer so wie ein Kleinkind verhalten?

Hallt in den Köpfen moderner Eltern noch immer der Satz: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“? Oder: „Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will“ – auch so ein Klassiker aus der Mottenkiste der Großeltern-Sprüche.

Dabei ist es sogar das Normalste der Welt, wenn ein Kind sich in einem bestimmten Alter als Zentrum der Welt fühlt. Seine Welt ist für ein Kind DIE WELT schlechthin.

Diese Fähigkeit sichert dem Kind die Möglichkeit, seine Bedürfnisse erfüllt zu bekommen – Bedürfnisse, die sonst von anderen womöglich gar nicht wahrgenommen würden. Dass es für Erwachsene aus verschiedenen Gründen manchmal schwierig ist, die Bedürfnisse eines Kindes sofort zu erfüllen, kann ein Kind nicht voraussehen.

Erwachsene, die erwarten, ein kleines Kind sollte bereits die Bedürfnisse anderer in sein Denken und Handeln mit einbeziehen, werden zwangsläufig enttäuscht. Aber dafür kann das Kind nichts.

Erwachsene dagegen sollten in der Lage sein, sich in ihr kleines Kind hineinzuversetzen. Doch vielen Erwachsenen fällt das schwer, und sie überfrachten ihr Kind mit Erwartungen, die es zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllen kann. Und so wird die Frustrationsspirale in Gang gesetzt.


Die Egozentrik des Kleinkindes

Ein Kind betrachtet die Welt aus seiner Perspektive, weil das dem Stand seiner Entwicklung entspricht. Piaget spricht von der Egozentrik des Kindes als einem ganz normalen Bestandteil seiner Entwicklung.

Warum Egozentrik beim Kleinkind so wichtig ist (und nichts mit „Egoismus“ zu tun hat)

Wichtig ist: Wenn Piaget von Egozentrik spricht, meint er nicht „egoistisch“ im moralischen Sinn, sondern eine kognitive Entwicklungsstufe. Kleinkinder können ihre Welt zunächst nur zuverlässig aus der eigenen Perspektive organisieren. Das ist kein Charakterfehler, sondern schlicht der aktuelle „Betriebssystem-Stand“ ihres Denkens.

Piaget verortet diese Form der Egozentrik besonders in der präoperationalen Phase (ungefähr zwischen 2 und 7 Jahren):

Kinder denken anschaulich, stark im Hier und Jetzt, und sie können sich noch nicht stabil vorstellen, dass andere Menschen etwas anderes wissen, fühlen oder wahrnehmen als sie selbst. Genau daraus entstehen diese typischen Situationen: „Wenn ich das will, ist das doch auch logisch für dich.“ Oder: „Wenn ich es nicht sehe, ist es weg.“

Der Sinn dahinter ist erstaunlich klug: Egozentrik schützt und stärkt das Kind in einer Lebensphase, in der es maximal abhängig ist. Ein Kleinkind muss seine Bedürfnisse deutlich spüren und zeigen können, damit es nicht „untergeht“ – emotional und ganz praktisch.

Gleichzeitig baut es in dieser Zeit ein Fundament auf, das später erst echte Rücksicht möglich macht: ein stabiles Selbstgefühl. Denn um „du“ denken zu können, braucht es zuerst ein klares „ich“.

Und wann ändert sich das?

Nicht über Nacht – und ganz sicher nicht durch Appelle wie „Denk doch mal an andere!“

Ein wichtiger Entwicklungsschritt ist das, was man heute oft Perspektivübernahme nennt: die Fähigkeit zu verstehen, dass andere Menschen eigene Gedanken, Absichten und Gefühle haben.

Erste Anfänge siehst du häufig um den 4. Geburtstag herum (manchmal früher, manchmal später), aber wirklich verlässlich und alltagstauglich wird das erst über die nächsten Jahre hinweg.

Rücksicht entsteht also nicht durch Druck, sondern durch Reifung, Erfahrung – und durch Erwachsene, die das Kind dabei begleiten, ohne es zu beschämen.

Was ich sehe, das sehen auch die anderen. Was ich nicht sehe, kann auch kein anderer sehen – so denken Kleinkinder noch über ihre Umgebung.

Ich erinnere mich, wie ich als 17-Jährige einmal bei einem 3-jährigen Mädchen babysitten war. Wir spielten Verstecken. Die Kleine hatte mitten im Raum eine Decke über sich gelegt – in der festen Überzeugung, sie sei gut versteckt. Ich machte ihr Spiel mit, ging laut suchend durch den Raum, während sich das Mädchen unter der Decke vor Lachen kaum noch halten konnte.

Solche Geschichten kennt fast jeder, der mit kleinen Kindern zusammenlebt – und wir freuen uns darüber.


Perspektivwechsel

Es gibt aber viele Situationen, in denen die Perspektive des Kleinkindes von uns mehr abverlangt.

Zum Beispiel an Tagen, an denen du müde und mit Kopfschmerzen nach Hause kommst und dich nach Ruhe sehnst. Dein Kind will aber mit dir spielen, etwas vorgelesen bekommen oder sofort etwas essen. Es ist noch voller Energie und kann noch nicht warten.

Sagst du zu deinem Kind jetzt: „Nun hör doch endlich auf zu quengeln, sei einfach mal eine Weile still“, wird es wahrscheinlich entweder weinen, wütend sein oder sich erschrocken zurückziehen.

Es weiß nicht, warum du es so wütend angefahren hast, denn es hat ja nichts falsch gemacht, sondern nur seine Wünsche geäußert. Dass seine Bedürfnisse gerade nicht mit deinen Bedürfnissen zusammenpassen, kann es noch nicht verstehen.

Um einen Perspektivwechsel vornehmen zu können – sich hineinversetzen zu können in andere Menschen – braucht es Zeit, Erfahrungen und einfühlsame Erwachsene, die es auf diesem Weg begleiten. Selbst Erwachsenen fällt es häufig schwer, die Bedürfnisse anderer Menschen wahrzunehmen.

In nicht wenigen Partnerschaften gibt es oft Streit deswegen. Einer kommt zum Beispiel gerade nach Hause und will von seinem Tag erzählen, der andere hat den ganzen Tag mit den Kindern verbracht und braucht gerade Ruhe. Die Perspektive des Partners neben der eigenen zu sehen, ist nicht immer leicht.

Mit unseren Bedürfnissen in Kontakt zu stehen und sie vorwurfsfrei zu kommunizieren, braucht Übung – auch bei Erwachsenen. Wenn Eltern von ihren Kindern etwas erwarten, das sie selbst auch nicht immer schaffen, erwarten sie schlicht zu viel.

Mehr noch: Indem ich von meinem Kind erwarte, dass es sich an meine Bedürfnisse anpasst – wie in dem Satz oben: „Nun hör doch endlich auf zu quengeln, sei einfach mal eine Weile still“ – gebe ich die Verantwortung für meine Bedürfnisse ab. Für die Erfüllung meiner Bedürfnisse bin ich aber selbst zuständig und kein anderer: weder mein Partner und schon gar nicht mein Kind.

Wenn du gerade erschöpft bist und eine Pause brauchst, dann kannst du deinem Kind sagen: „Ich sehe, du möchtest mit mir puzzeln. Ich bin gerade müde vom Einkaufen. Ich trinke jetzt eine Tasse Tee zum Entspannen, und danach puzzle ich mit dir. Kannst du so lange warten?“

In den meisten Fällen wird sich dein Kind jetzt einfach an dich kuscheln, während du deinen Tee trinkst.


Wie hungrige Vogelküken

Die Egozentrik des Kindes ist nicht nur ein normaler Entwicklungsschritt, sie ist sogar notwendig für sein (Über)Leben. Indem ein Kind so eindringlich auf seine Bedürfnisse aufmerksam macht, stellt es sicher, nicht übersehen zu werden. Es kann ja für viele seiner Bedürfnisse noch nicht selbst sorgen, ist darauf angewiesen, von den Erwachsenen alles zu bekommen, was es zur Bedürfnisbefriedigung braucht.

Diese Abhängigkeit verlangt nach einer gewissen Vehemenz, mit der ein Kind auf die Erfüllung seiner Bedürfnisse drängt. Im Grunde sind kleine Kinder wie Vogelküken, die den Schnabel weit aufsperren, wenn die Vogelmama mit einem Wurm anfliegt. „Ich, ich, ich!“ piepsen sie.

Erwachsene stören sich daran, weil sie selbst ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr so direkt spüren. Also soll das Kind endlich lernen, nicht nur an sich zu denken, sondern auch mal an andere.

Wie du als Erwachsene damit umgehen kannst, ohne in die Frustspirale zu rutschen

Viele Erwachsene reagieren auf die Egozentrik von Kleinkindern nicht nur genervt, sondern fast… persönlich beleidigt. (Als hätte dein Dreijähriger nachts heimlich ein Strategiepapier verfasst: „Wie bringe ich Mama heute um den Verstand?“)

Der Punkt ist: Dein Nervensystem hört manchmal „Rücksichtslosigkeit“, obwohl da eigentlich „Entwicklung“ steht. Und genau da hilft ein innerer Übersetzer – drei Sätze, die du dir in solchen Momenten (wirklich wie ein Mantra) sagen kannst:

  • „Das ist Entwicklung, kein Charakter.“

  • „Mein Kind kann gerade noch nicht – es will nicht gegen mich sein.“

  • „Ich darf Grenzen setzen, ohne mein Kind zu beschämen.“

Und jetzt ganz praktisch: Du musst Egozentrik weder „wegmachen“ noch alles erfüllen. Du kannst gleichzeitig empathisch sein und dich ernst nehmen.

Sofort-Tipp für akute Situationen (30 Sekunden):

  1. Atme einmal bewusst aus (länger aus als ein).

  2. Sag dir: „Kleines Gehirn, große Gefühle.“

  3. Dann sprich kurz, klar, freundlich:

Beispiele:

  • „Du willst sofort spielen. Ich bin gerade leer. Ich setze mich 2 Minuten hin – dann bin ich wieder bei dir.“

  • „Du willst den Becher. Ich sehe das. Der Becher ist gerade bei mir. Du bekommst ihn danach.“

  • „Du willst nicht warten. Warten ist schwer. Ich bleibe dabei: erst Schuhe, dann raus.“

Langfristig wirkt vor allem eins: Rücksicht wächst, wenn Kinder Rücksicht erleben – nicht wenn sie dazu gedrängt werden. Du kannst Perspektivwechsel spielerisch „anfüttern“, ohne ihn zu verlangen:

  • „Schau mal, ich halte mir die Ohren – mir ist es gerade zu laut. Was könnte mir helfen?“ (Und wenn die Antwort „Nix!“ ist: okay. Dann übernimmst du wieder als Erwachsene.)

  • „Du möchtest als Erste dran. Und dein Bruder auch. Wir machen abwechselnd – ich helfe euch.“

  • Statt Moralpredigt beim Teilen: „Du musst nicht abgeben. Du entscheidest, wann du fertig bist. Dann ist der nächste dran.“ (Das nimmt Druck raus – und macht Teilen oft erst möglich.)

Der entscheidende Shift ist: Du führst – und du verlangst nichts, was dein Kind gerade noch nicht leisten kann. Du unterstützt Entwicklung über Sicherheit, klare Rahmen und Vorleben.


Erwachsene stören sich daran, weil sie selbst ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr so direkt spüren. Also soll das Kind endlich lernen, nicht nur an sich zu denken, sondern auch mal an andere. Aber ein kleines Kind ist nicht für die Erfüllung deiner Bedürfnisse zuständig. Das bist du selbst.

Das bedeutet nicht, dass du alles tun musst, was dein Kind von dir will. Aber es bedeutet, dass du deine Bedürfnisse so ausdrückst, dass sie keine Forderung an dein Kind sind – sondern eben das, was du gerade brauchst.

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Dagmar

Dagmar Gericke von der Feeling Family®: Eltern-Coach, Theaterpädagogin, Kommunikationstrainerin und Mama von 4 Kindern. "Kinder zu bekommen ist nur der Anfang des Elternseins. Die wirkliche Aufgabe liegt daran, uns unser Leben mit unseren Kindern so zu gestalten, dass sich alle in der Familie angenommen und geliebt fühlen. Und das schließt uns selbst mit ein." Willst du mehr über mich wissen? Dann schaue hier: https://feelingfamily.com/about/