Über die eine Sache, die mich in einem Konflikt mit meinem Kind wirklich weitergebracht hatte…
„Ist doch klar!“ sagte das Kind. „Ein Gummibärchen ist ein süßes weiches Zeug, das aussieht wie ein kleiner Bär. Ich kaue und lutsche es ein bisschen und schlucke es ganz schnell hinunter, damit ich das nächste bekomme.“
„Wir sollten uns vielleicht erst mal überlegen, wer ein Gummibärchen isst, statt was es ist“, meinte der Marketing-Experte.
„Genau!“, sagte der Zahnarzt. „Und vor allem, wie viele jemand davon isst. Denn es ist extrem zuckerhaltig und schädlich!“
„Was heißt hier zuckerhaltig?“, merkte die Ernährungswissenschaftlerin an. „Es ist vor allem Glukosesirop drin, welcher durch den hohen glykämischen Index die Fettverbrennung hemmt. Und die Gelatine wird aus Schweineschwarten gewonnen! Igitt!“
„Dem Igitt schließe ich mich an“, so der brasilianische Urwaldbewohner. „ich finde es unangenehm klebrig und süß, aber es eignet sich sehr gut als Nasenschmuck.“
Das Kind kicherte.
Und bevor der Marketing-Experte etwas einwerfen konnte, räusperte sich der Projektmanager und alle schauten ihn erwartungsvoll an.
„Ich sprach von Gummibändchen“, sagte er, „nicht von Gummibärchen.“
(Lydia Thea Blau aus „Erzählbar“)
Ist es dir auch passiert?
Wenn nicht, herzlichen Glückwunsch! Du bist wirklich sehr aufmerksam.
Falls aber doch, ist das auch okay. Denn es ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft, eine Situation nach dem zu bewerten, was wir höchstwahrscheinlich erwarten.
Die Bewertung von dem, was wir glauben zu hören oder zu sehen entsteht aufgrund unserer Gedanken, Erfahrungen und Glaubenssätze.
Da ist erst mal nichts Falsches dran, denn wir jede einzelne Situation bewusst immer wieder neu bewerten würden und nicht auf unsere gespeicherten Erfahrungen zurückgreifen würden, würden wir in vielen Situationen kaum noch zum Handeln kommen.
Gleichzeitig führt genau diese Eigenschaft leichter zu Konflikten.
Wichtig ist, dass ich mir dieser Reaktion in mir bewusst werde und sie als meine eigene Reaktion betrachte, die nur bedingt etwas mit dem anderen zu tun hat.
Sagt mein Kind „Du blöde Scheißkackmama!“ zu mir, könnte ich wütend werden und antworten: „So redest du nicht mit mir, hast du gehört!“
Ich könnte denken: „Was für eine Unverschämtheit. Da rackere ich mich den ganzen Tag ich mich ab und dann werde ich noch beleidigt.“
Das, was für mich wirklich etwas verändert hat, als ich das, was mein Kind sagte, nicht mehr als Aussage über mich aufgenommen habe, sondern als eine Aussage über sich.
👉In welcher Not steckt gerade mein Kind, wenn es so etwas sagt?
👉Wie kann ich mit ihm in Verbindung gehen?
„Alles ist entweder ein Ausdruck von Liebe oder ein Schrei nach Liebe!“
Dadurch ändert sich die gesamte Wahrnehmung einer Situation.
Es gibt diesen wunderbaren Satz: „Alles ist entweder ein Ausdruck von Liebe oder ein Schrei nach Liebe!“
Kinder sind sehr authentisch in ihrem Ausdruck. Wenn wir lernen, das, was sie uns mitteilen, manchmal auch heftiger, nicht persönlich nehmen, können wir die Botschaft hinter ihren Worten entschlüsseln.
Auch das ist ein Lernprozess und braucht immer wieder den Mut hinzuschauen, was gerade in uns los ist, wenn wir stark emotional reagieren.
Hinzuschauen ist etwas anderes als auf die Äußerungen meines Kindes persönlich zu reagieren. Beim Hinschauen nehme ich eine bewusste Haltung zu mir selbst ein.
Ich kann Abstand zu meinen starken Emotionen und Gedanken nehmen, indem ich mir selbst sage: „Interessant, welche Gedanken ich bekomme, wenn mein Kind „Scheißkackmama“ zu mir sagt. Das schaue ich mir später noch mal genauer an. Jetzt wende ich mich dem zu, was hinter den Worten bei meinem Kind steht.“
Ein Konflikt mit meinem Kind als Chance
Reflektierte Elternschaft bedeutet, Dinge nicht persönlich zu nehmen, sie aber als Chance zu sehen, etwas über mich selbst zu erfahren.
Es bedeutet, sich der eigenen Verhaltensmuster und Glaubenssätze immer mehr bewusst zu werden und so allmählich aus dem impulsiven Reagieren auszusteigen.
Vielleicht denkst du jetzt: „Wie soll ich das denn im Alltag hinkriegen, wenn ich unter Megastress stehe?“
(Mehr dazu: https://kindheitinbewegung.net/wie-du-bei-konflikten-mit-deinem-kind-gelassen-bleiben-kannst/)
Sei einfach geduldig und liebevoll mit dir selbst auf diesem Weg.
Es ist eine Reise, und zwar keine im Überschallflugzeug, sondern eher mit Wanderstiefeln.
Eine Pilgerreise, bei der du auch ankommst, wenn du länger brauchst, dann aber mit vielen neuen Erkenntnissen.
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